Das Leben in Ägypten

Spontanität, Gelassenheit, Freiheit.

Kennt ihr das noch? Zeit für sich haben, nicht an Morgen denken. An der Straße stehen und einfach lächeln, in die Ferne blicken und den Moment genießen. Kein Stress, kein Druck. Freunde sind permanent um einen herum, hier gibt es keine Pläne. Hier schreibt man sich bloß "Coffee?" und schon sitzt man 5 Minuten später gemeinsam. In größeren Gruppen bis spät in die Nacht, auch wenn man sich manchmal um 0:00 Uhr noch Pizza bestellt. Auf Partys trifft man sich, jeder kennt jeden. Hier zählt der Augenblick, jeder ist ungebunden. Der Bus fährt hier mit offener Tür, der Busfahrer hält für dich an, wo du aussteigen willst. Jeder hilft jedem. Wir schleppen uns morgens müde zur Arbeit, haben immer den Plan früh schlafen zu gehen und dann ist es doch wieder so gesellig, dass niemand vor 1:00 Uhr aufs Zimmer geht. Im Supermarkt bekommt man kein Kleingeld zurück, sondern Kaugummi oder Schokoriegel und das ist völlig normal hier, manchmal bezahlt man einfach einen Tag später, es weiß sowieso jeder, was du gerne kaufst oder im Café trinkst.

In Ägypten herrscht Ruhe, obwohl doch so viel um einen herum passiert. Der Morgen kommt sowieso, darüber muss ich mir heute noch keine Gedanken machen. Hier lebt es sich entschleunigt, wir sind nicht auf der Überholspur. Die gesamte Lebensart ist hier einfach anders. Zugegeben weiß ich nicht, wie ich künftig wieder in Deutschland leben soll. Wir leben in dort in einer Konsumgesellschaft, alles ist schneller, höher, weiter. Wir dominieren uns über Geld, Erfolg, Besitz. Jeder schaut auf das, was er nicht hat, anstatt wertzuschätzen, was ihm gehört und widerfährt. Hier ist das anders. Hier bedeutet Geld nicht das, was es in Europa bedeutet. Natürlich arbeiten wir alle, um uns etwas leisten zu können aber es wird sich nicht über Geld definiert. Selbst wer hier kaum etwas hat, lädt seine Freunde ein. Es wird nicht thematisiert, es wird sich geholfen. Wenn jemand mal 50€ braucht, dann wird es gegeben, ohne direkt danach die Hand aufzuhalten. Hier lebt sich das Wort "Gesellschaft". Und ja, wir können auf menschlicher Ebene so vieles von diesem Land hier lernen bzw, uns daran erinnern, wie wir selbst noch vor 30-40 Jahren gelebt haben. Wenn mein Vater mir von seiner Jugend erzählt hat, dann hab ich mir immer gewünscht, ich wäre in den 70ern oder 80ern aufgewachsen. Frei, ungebunden, gesellschaftlich. Und natürlich kann man Ägypten nicht mit den 80ern vergleichen aber irgendwie fühlt es sich so, wie ich es mir bei Papas Erzählungen immer vorgestellt habe. Ganz nach dem Motto: "Früher war alles besser". Hier leben wir irgendwie wie in der Vergangenheit. Ich habe meine moderne 100m2 Wohnung gegen ein kleines Zimmer mit Metallbett und Holzplanken, Tisch und Metallspint eingetauscht, meinen "Kleiderschrank" aus leeren Wasserkartons gebaut (wie ein Ikea Regal) und schippe tägliche Überschwemmungen in meinem kleinen Bad zusammen, weil es aus Waschbecken und Toilette tropft. Ab und zu ist mal der Strom weg oder das Wasser einfach aus und doch bin ich hier glücklich und zufrieden. Ich merke jeden Tag mehr, wie wenig man eigentlich braucht und es macht einen nicht trauriger, im Gegenteil. Gleichzeitig schockiert einen auch nichts mehr, mich bringt nichts mehr aus der Ruhe. Das Leben kommt, wie es kommen soll. Und was ist eigentlich wirklich wichtig im Leben? Ich habe viel Zeit hier nachzudenken und meinem Hobby nachzugehen: Philosophieren. Genau darum wird es auch in meinem neuen Buch gehen und dann werden wir das ganze Thema noch vertiefen.

Einen kleinen Einblick könnt ihr in meinem Youtube Video bekommen: