Mein geliebtes Baby

23. Juli 2025

Loszulassen ist der aufrichtigste und dennoch schwerste Akt der Liebe

Ich kann noch immer nicht realisieren, dass du nicht mehr bei mir bist.  Dieser unaufhörbare Schmerz durchfrisst meinen Körper, als würde er nichts mehr von mir übrig lassen wollen. Wir alle wussten, dass dieser Tag eines Tages kommen wird aber trotzdem ist man nie darauf vorbereitet.


Ein letztes Mal dich im Arm zu halten, dein süßes Gesicht zu streicheln, während deiner Pfoten meinen Arm umklammerten, ist der wohl prägendste Moment meines Lebens gewesen. Dort zu sitzen und zu wissen, dass es das letzte Mal sein wird, dass du mir tief in die Augen schaust. Ein letztes Mal, dass ich mein Baby knuddeln kann, bevor es einfach vorbei ist.


Das waren nun fast 11 Jahre mit dir. Damals, 2014, klein, wild, wuschelig, kamst du mit deinen gerade mal 4 Monaten auf mich zuggerannt, als wüsstest du ganz genau, wer ich bin. Ich hockte mich zu dir und du lagst deine Vorderpfoten auf meine Knie. Ich streichelte dich, du freutest doch so sehr und ich wusste ganz genau, dass du ab heute zu mir gehörst. Und dann warst du ja, jeden Tag. Jeden Abend neben mir und jeden Morgen vor deinem Napf. Die Jahre gingen weiter, wir wuchsen zusammen, du wurdest mein Schatten. Wir spielten und tobten, lachten und juchzten. Die Erziehung mit dir war nicht immer einfach, das wussten wir spätestens als die Hundeschule "viel Glück" wünschte. Rückruf klappte so gar nicht aber du standest trotzdem aufgeregt im Feld, so freudig und voller Abenteuer im Kopf. War ja nicht ich, die hinter dir her rennen mussten, wenn du mal wieder irgendwelche Kadaver gefunden hast und mitnehmen wolltest. Ja, ich hab auch viel mit dir geschimpft, das hast du nicht immer verstanden. Du warst exzellenter Mäusejäger, jede Maus war bei einem deiner Feldsprünge schon 10x wieder weg. Aber du hattest so viel Spaß.


Irgendwann hast du das Schwimmen für dich entdeckt, später dann das Tauchen. Wir konnten dich kaum mehr vom Wasser weg bekommen. Bis heute wissen wir nicht, wieso du nach Steinen tauchen gegangen bist aber wir vermuten es war, weil wir uns darüber so amüsierten. Und dies war deine Lebensaufgabe: Uns glücklich zu machen. Und das hast du geschafft, mein Schatz. Jeder, der dich kannte, liebte dich.  Du warst für alle das kleine Baby, besonders in den letzten 2 Jahren. Noch anhänglicher, noch verkuschelter, noch ängstlicher. Wenn du ein Geräusch gehört hast, hast du dich bei mir versteckt, wenn irgendetwas war, kamst du zu mir angerannt. Immer zu deiner Mami, du kleines Baby. Jeden Weg gingen wir gemeinsam, ob ins Badezimmer, ins Büro oder in den Garten. Du brauchtest permanent Nähe, aber dennoch konntest du auch gut alleine sein. Du warst ja schon ein großer.


Wir machten Ausflüge und Kurztrips, was liebtest du den Dümmer See mit deinem Hundestrand. Bei jedem Urlaub dachten wir an dich, die schwerste Zeit für mich war es, dich zu vermissen, als ich in Ägypten war. Aber du warst bei Papa, den du auch so sehr geliebt hast. Es ging dir gut, und so konnte es auch mir gut gehen. Bei manch einem Urlaub, der für dich viel zu anstrengend gewesen wäre, durftest du die Tage in einem Hundehotel verbringen. Du hast es geliebt, die Menschen dort, den riesigen Garten und den Schwimmteich. Mit den anderen Hunden hast du dein Bett geteilt und ihnen Beistand gegeben, wenn sie ihre Mami und ihren Papi vermisst haben. Du wusstest immer, dass wir dich wieder holen würden. Und alle Menschen waren von dir begeistert. Ich habe dich nicht so Gehorsam an der Leine erzogen oder dazu, auf Kommando zurück zu kommen. Ich konnte deinen Freigeist nicht brechen. Aber ich konnte dich mit all der Liebe erziehen, die mein Herz geben konnte. Du warst so sanft, du hattest unendliches Vertrauen und wolltest immer mittendrin sein. Du konntest Bitte und Danke, bei Snacks saßt du artig vor einem und hast gewartet. Du hast dir immer alles brav gefallen lassen, weil du genau wusstest, dass wir nur das Beste für dich wollten. Bei jedem Tierarzt Besuch, jeder Spritze und jeder Rasur (auch wenn du vor Aufregung und Angst trotzdem bei Mami auf den Schoß wolltest).


Du hast mich mindestens so sehr geliebt, wie ich dich. Und die letzten Monate kamen mir so vor, als hätte unsere Bindung das absolute Maximum erreicht. Du schliefst in meinem Arm, wenn du Angst hattest, du lagst neben mir, wenn ich traurig war.


Und dann kam dein Daddy in dein Leben, den du vom ersten Moment an akzeptiert und geliebt hast. Irgendwann hast du die Abende lieber bei ihm verbracht. Er war dein Spielmacher und Freund. Und du hast genau gespürt, wie sehr ich ihn liebe. Und wie sehr du von uns geliebt wurdest, wenn du mal wieder zwischen uns schlafen durftest oder auf der Couch mit uns lagst. Wenn wir in der Küche getanzt haben, kamst du mit deinem Teddy dazu. Wenn wir uns aus Spaß geärgert haben und er mich über die Schultern geworfen hat, dann kamst du direkt mit deinen Kuscheltieren dazu. Dann mussten wir dich mit einbeziehen, spielen und knuddeln. Wir waren eine Familie, wenn auch nur für wenige Monate.


Du zeigtest mit der Zeit immer mehr die Spuren des Alters. Tierarztbesuche wurden mehr und ich lernte, wie unendlich viele Futterzusatzgeschichten es gibt. Du wurdest träge, dein Futter schmeckte dir nicht mehr so gut und wir sagten immer: Er ist halt einfach alt. Tierklinik und Blutbilder, alles war irgendwie immer okay, auch wenn ich tief in mir spürte, dass etwas nicht okay ist. Ich fing an, mir ständig Sorgen zu machen, wenn du mal wieder zeigtest, dass es dir nicht 100% gut ging. Und doch lagst du morgens neben mir, so freudig mit einem Klopfkonzert, dass wir wieder gemeinsam in den neuen Tag starten. Wann immer ich nach Hause kam, kamst du sofort angerannt. Auch wenn dir an manchen Tagen die Power fehlte, für deine Mami hattest du sie. Ich streichelte dich abends gerne extra lang, gab dir lieber mehr als zu wenig Küsschen am Tag und sagte dir seit dem Tag, den du in mein Leben kamst: "Ich liebe dich so sehr, vom ersten Tag bis zum Letzten." Das war ein Ritual, dies in Kuschelzeiten zu sagen, während ich über deine Nase strich und du die Augen geschlossen hast. Es kam nichts schöneres, als abends im Bett zu liegen und deinen warmen Körper an meinen Füßen zu spüren, dein genussvolles Schmatzen zu hören oder dein Piepsen und Vibrieren, wenn du im Träumeland angekommen warst.


Bis zu jenem Abend, als du ankamst und mich mit einem Blick ansaßt, den ich nie zuvor gesehen hatte. Du hattest Angst und ich holte dich zu mir ins Bett. Du schnauftest stark, wolltest dich gemütlich zur Seite legen, doch musstest dich immer wieder aufrichten. Dabei drücktest du deinen kleinen warmen Kopf an mich. "Was ist denn los, Balou?" Es war wieder einer dieser Tage, an dem du nicht wirklich fressen wolltest. Nicht mal das, was dir die Tage zuvor so gut geschmeckt hat. "Schatz, mit Balou stimmt etwas nicht.", sagte ich aufgeregt und streichelte dich. Dein Daddy kam sofort, wir hockten beide neben dir und streichelten dich. Dein Herz schlug so schnell, dein Blick war leer und ich spürte ganz genau, so sehr es mir auch das Herz zerriss, dass das der Moment war, der mir oft angekündigt wurde als: "Du merkst, wenn es Zeit ist."

Ich begann zu weinen, mich fest an dich zu kuscheln. Dann standest du auf, standest schwankend und mit eingeklemmten Schwanz im Raum, dein Blick suchte noch einmal nach meinem. Ich sah deinen Schmerz, deine Schwäche und deinen Willen, dass das aufhört. Und gleichzeitig sah ich Sorge und Angst, wieso deine Mami so weint.  Ich rief die Tierklinik an, erzählte der Frau, dass es dir nicht gut ging. Daddy trug dich ins Auto, es war mitten in der Nacht. Du stöhntest vor Schmerzen. "Was hat er nur, wieso hat er plötzlich so Schmerzen?", ich weinte und weinte und weinte. "Es wird alles gut.", sagte Daddy, als er einen verzweifelten Blick zu dir nach hinten warf und ich schüttelte den Kopf. Ich spürte es. Und ich ließ die Leine und das Halsband bereits zu Hause. In der Klinik angekommen warteten die Ärztin und eine Assistentin schon auf uns. Wir setzen dich ab und du standest ängstlich auf dem Flur. Aber wir waren direkt neben dir und so gingen wir gemeinsam in den Behandlungsraum. Beim Bauchultraschall lagst du in meinem Arm, deine Pfoten umklammerten meinen Arm und ich streichelte dich, beruhigte dich, doch konnte meinen Tränen nicht zurück halten. Ich wollte dir nicht zeigen, dass etwas nicht stimmte aber wie sollte ich damit aufhören, wenn ich genau wusste, ich würde gleich mein Baby gehen lassen müssen. Und es tat so sehr weh, zu sehen, dass du Schmerzen hattest. Dein Bauch war okay, wieder mal. Und dann schaute sie sich dein Herz an und da war etwas, was da nicht sein sollte. Es war für mich kein Schock, das zu hören. Ich wollte nur, dass dieser Schmerz für dich aufhört. Sie machten noch ein Röntgenbild und nahmen dich kurz mit. Ich fiel deinem Daddy in den Arm und schüttelte den Kopf, bevor ich erneut in Tränen ausbrach. Auch seine Augen wurden nun rot. Er hatte bis zu diesem Moment noch Hoffnung, wieder mit dir nach Hause gehen zu können. Dann durfte ich das Bild sehen, du schwanktest hinter mir her, gingst dann zu deinem Daddy kuscheln. Die Ärztin zeigte mir, dass dein ganzer Brustkorb voller Metastasen war und ein dicker Tumor dein ganzes kleines Herz befallen hatte. Ich brach sofort in Tränen aus. Ich wusste eh, dass das passieren würde aber zu sehen, was da in dir los war, zerriss mein Herz erneut. "Wollen wir ihn erlösen?", fragte die Ärztin vorsichtig und ich nickte.


Du lagst bei Daddy und er sah mich an. "Es ist soweit? Sie geben ihm die Spritze?", fragte er angsterfüllt. Ich nickte, hockte mich zu dir und kuschelte dich noch einmal so fest ich konnte. Dann brach auch er in Tränen aus. Wir streichelten dich noch einmal, du wusstest auch, dass es nun Zeit war. Du wolltest nicht wieder in den Raum gehen, wo schon eine Decke bereit lag. Auch wenn es Zeit war, so wolltest du nur eines in deinem Leben: Bei mir sein. Also gingen wir auch die letzten Schritte gemeinsam. Als du auf der Decke lagst, legte ich meinen Arm um dich. Du warst so friedlich und entspannt. Wir waren da. Du sahst zu der Ärztin, die dir einen Zugang legte, dann zu mir. Ich bin da. Dann schautest du noch einmal schräg nach oben. Daddy ist da. Es tut mir Leid, dass wir so weinten, mein Schatz. Wir hielten dich fest, wir gaben dir Küsse, bis du eingeschlafen warst. Dein Kopf sank ganz langsam nach unten. Gute Nacht mein unendlich geliebtes Baby.


Wir kuschelten dich noch eine Weile, wir hielten uns fest und weinten. Wir verließen die Klinik, dich. Wir saßen im Auto und weinten. Nach Hause zu kommen war so fremd wie nie zuvor. Ich setzte mich aufs Bett. Der Schmerz floss durch meinen Körper wie eine Flut der Verwüstung. Wir lagen Arm in Arm, die Tränen liefen und wir versuchten uns zu erzählen, wie unglaublich toll du warst. Wie unendlich du geliebt wurdest und dass wir die alles gegeben haben, was wir konnten.


Du bist weg. Und ich spüre es jeden Augenblick. Ich vermisse dich so unfassbar. Wenn ich aufstehe, dann sehe ich auf deine Bettecke. Aber ich sehe dort keinen Klops, der ganz doll mit dem Schanz wedelt, wenn Mami "Guten Morgen" sagt. Ich mache Kaffee und sehe keinen schwarzen Fleck auf dem Teppich hinter mir, der darauf wartet, Frühstück zu bekommen. Ich komme aus dem Bad und es ist keiner da, der vor der Tür liegt und wartet. Es folgt mir niemand in den Garten. Es liegt keiner vor dem Sofa mit dem Kopf auf der Couch und schaut mich verliebt an. Es liegt keiner breit auf seiner Decke auf der Couch und träumt von Schimmabenteuern. Es kommt keiner abends mit ins Bett und will einfach nur dabei sein. Du fehlst an jedem Ort, in jedem Moment.  Was bleibt ist dein Bettchen, deine Decke und all deine geliebten Kuscheltierchen. Alle ohne Ohren, denn die musstest du immer als erstes abfressen.


Was bleibt sind all die kleinen Dinge, überall von dir im ganzen Haus.

Was bleibt ist die Liebe, die ich trotz all dem Schmerz noch präsent fühlen kann.

Was bleibt sind all die Erinnerungen an dich.


Ich liebe dich so sehr mein Hund, vom ersten Tag bis zum Letzten.

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