15 Minuten Kindergarten

17. April 2021

Einfach mal mittendrin

Während ich einigen Kindern erkläre, dass Pistolen ein ganz blödes Spiel ist, weil sie ganz doll weh tun können, räume ich den Geschirrspüler aus. Da sagt ein Kind zu mir: „Du bist ein Jalapeno… ne du bist ein Mixer!“ Und ich höre, wie zwei andere Kinder im Nebenraum beginnen, sich über etwas ganz banales zu streiten. Ich überlege noch, ob ich da nun rüber gehe und eingreife oder ob die Situation sich gleich von selbst erledigt, da brüllt ein Kind aus voller Inbrunst aus dem Waschraum: „Loooorenaaa, komm mich abputzen!“, und somit begebe ich mich auf den Weg in den Waschraum, während mir ein weiteres Kind zeigt, dass ein Spielzeug kaputt gebrochen ist „Oh, das schau ich mir gleich mal an.“ Nicht mal ganz fertig mit der Prozedur im Waschraum und der wichtigen Botschaft, sich jetzt gründlich die Hände zu waschen, fragt mich ein Kind nach einem Spiel, was ich zunächst nicht verstehe also zeigt sie auf eine große rote Kiste. Ich stelle die Kiste auf den Tisch, drei Kinder rennen mich halb um „Bitte nicht durch den Gruppenraum rennen“, da sehe ich eine große Überschwemmung auf dem Tresen und erkläre demjenigen Kind, dass das absolut kein Problem ist aber man mit den Tüchern, die darauf stehen, die kleine Pfütze doch einfach schnell aufzuwischen kann, damit kein anderes Kind einen nassen Ärmel bekommt. Ich überlege noch, was ich eben machen wollte (das Spielzeug eventuell reparieren oder kleben) , da quengelt ein Kind panisch los, dass mit den Bausteinen, mit denen die Kinder gerade bauen, es mal ein Haus gebaut hat und jetzt ist das ja kaputt. „Das ist doch schon furchtbar lange her.“, erkläre ich, „Die Kinder haben das bestimmt nicht kaputt gemacht, sondern nur etwas neues daraus gebaut.“ Ein weiteres Kind sitzt seit mindestens 30 Minuten vor seiner kleinen Brothälfte und legt lieber seinen Kopf auf den Tisch und stochert Löcher in das Brot. „Du hast noch nicht gefrühstückt und bis zum Mittag ist es noch eine sehr lange Zeit. Dieses kleine Stück Brot kannst du ruhig essen.“ Gewiss können und wollen wir die Kinder nicht zum Essen zwingen, bei manchen Kindern wissen wir jedoch einfach, dass es länger dauert, weil sie zu schnell von allem abgelenkt sind oder viel lieber den Snackkram oder die Beilagen essen werden anstelle des Brotes. Während wir am Frühstückstisch also darüber sprechen, wie wichtig das Frühstück ist, spielen andere Kinder kreischend, dass sie von einem Geist verfolgt werden und wollen wissen, ob es Geister eigentlich gibt. Nun lächel ich ein wenig und erzähle, dass es keine Geister gibt, ich jedenfalls noch nie eines gesehen habe. Sie jagen dennoch den „Geist“ durch den Kindergarten, bis ich verstehe, dass es sich um die Reflexion meiner Armbanduhr handelt. Also erlaube ich mir einen kleinen Spaß und erfreue mich an der eifrigen „Geisterjagd“. Ab und zu kann man das Tohuwabohu ruhig mal machen und es ist spannend zu beobachten, wie die Kinder sich gegenseitig unterstützen, an den „Geist“ zu kommen und sich Hinweise geben. Oder eben alle Kinder aus dem Weg schubsen, um erster zu sein. Kommt auch vor. Dennoch ein bei weitem besseres Spiel als das von gestern: Die Kinder haben Hund gespielt und hatten Decken und Bettlaken um sich eine Höhle zu bauen. Nur kurze Zeit später haben sie die Laken zerrissen und sich Stückchen davon in den Mund gesteckt… Hundefutter. Ja, manchmal frage ich mich auch, wie man auf solche Ideen kommt. Ich lache während ich darüber nachdenke, da steht ein Kind vor mir und fragt mich, wieso ich die Kinder mit der Uhr jage. Clever! Gut beobachtet. Nun sind 5 Minuten vergangen, vom Geschirrspüler ausräumen bis nun zum Erklären, dass es überhaupt nicht nett ist, zum „Geist“ zu sagen, dass er fett und hässlich sei und „gleich aufs Maul kriegt“. Woher haben Kinder solche Ausdrücke nur? Es ist schon erschreckend, wenn da so ein kleiner Knirps hinter der Reflexion meiner Uhr herumrennt und laut schreit: „Komm her du dummer Geist, dann hau ich dir aufs Maul und schlag dir den Kopf ab!“ Ähm, wie bitte? Dann steh ich da, irgendwo zwischen erschrocken, empört und traurigerweise „ist ja auch nichts neues“. Solche Ausrücke sind im Kindergarten fast Alltag geworden. Und es geht sogar noch schlimmer. Wörter wie du „verfi****“ kamen auch schon gerne einmal vor. Von Kindern im Alter von 4 Jahren. Nun, ich erkläre und erkläre und erkläre, unter anderem auch, dass der „Geist“ nun weg ist, da er Angst hat und es nicht schön fand, dass er so laut angeschrien wurde, da war die ganze Nummer auch schon wieder vergessen und die Gruppe Kinder ging ins „Vater-Mutter-Kind“ Spiel über und einer ist der Hund. Nach nicht mal einer Minute kommt Kind X: „Weißt du, ich will auch mitspielen aber ich darf nicht.“ - „Wer sagt denn, dass du das nicht darfst?“ - „Na der Junge da.“ - „Wie heißt der Junge denn?“ - „XY“ - „Hast du ihm gesagt, du würdest gerne mitspielen?“ - „Ja, aber ich darf nicht.“ Ich stehe auf und versuche mir einen Überblick zu verschaffen. Was hier los hä?! Spaß beiseite. „Was spielt ihr denn hier schönes?“ - … - „Und die ist schon der Hund.“ - „Ja aber es kann doch mehrere Hunde geben, dann habt ihr eine Hundefamilie.“ Plötzlich war natürlich jeder Hund, da sagt Kind X: „Eigentlich wär ich lieber eine Katze“ - „Na das ist doch super, dann bist du die Katze.“ - „Aber ich trau mich nicht.“ Stille. Blicke. „Was taust du dich nicht?“ - „Katze zu spielen.“ Das ist dann wohl einer dieser Momente, wo ich einen Augenblick überlegen muss, was hier eigentlich vor sich geht. „Wieso traust du dich das denn nicht?“ - „Ich will nicht.“ - „Dann musst du auch nicht. Vielleicht findest du hier drüben ein anderes tolles Spiel.“ Ich verlasse den Raum und die Kinder sind sich einig, dass der Vater schon gestorben ist. Das ist auch ein absolutes Highlight im Spiel bei den Kindern: Die Eltern sind tot. Natürlich wissen die Kleinen nicht, was „tot“ eigentlich bedeutet aber die Eltern sollten so etwas vermutlich trotzdem nicht hören. Wer will schon gerne wissen, dass sein Kind spielt, Vollwaise zu sein. In Wahrheit geht es den Kindern dabei natürlich um ganz andere Dinge als wirklich „tot“ sein, wie wir es denken, aber schlucken bei solchen Aussagen müssten wohl die meisten Väter & Mütter. Nun sind also alle Kinder Hunde und da dauert es nicht lange, bis ein Krieg ausbricht. Kämpfen kommt immer vor bei solchen Spielen. Erst wird zu kräftig „gestreichelt“, dann zu laut „gebellt“ und später kämpfen die „Hunde“ untereinander oder greifen den Dieb an. Irgendwann artet es in der Regel immer aus und wir schreiten ein und unterbinden das mittlerweile zu wilde Spiel. „Vielleicht möchtet ihr ja draußen spielen, wenn ihr so laut sein möchtet?“ - „JA!“ Und die Kinder flitzen in die Garderobe. Zwei Sekunden später weint das erste Kind, nein es heult. „XY hat gesagt, ich darf nicht raus.“ - „Darf XY das entscheiden?“ - „Nein.“ - „Na siehst du, du darfst selbstverständlich auch mit raus, wenn wir da erlauben.“ Kind ist glücklich und zieht sich zufrieden an. 

Später gab es dann ein wenig Physikunterricht, wo wir erläutert haben, wo der „Geist“ von vorhin eigentlich herkam. Außerdem haben sich die Kinder mit Wendepalietten reihenweise in laufende Diskokugeln verwandelt, als die Sonne durch unsere Fenster schien. Für mich ist dies einer der schönsten Momente, wenn wir mit den Kindern ganz „eng“ beieinander sind und alle gut zuhören, da es etwas wichtiges fürs Leben zu lernen gibt. In der Regel saugen nur die wenigen älteren Kinder das Wissen reflektiert auf aber das zu sehen, dass es klick macht, dass da etwas verstanden wird, wieso, weshalb warum, das ist großartig. Und somit drehten wir die Kinder zur Sonne und wieder weg und schauten genau zu, wann die „Disco“ startet und wann sie wieder aufhört.

Und das waren nun gute 15 Minuten Kindergartenalltag.

Bis zum nächsten Mal,
Eure Lorena 

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